Stolz sein – aber worauf ?
Irgendwann ist jeder von uns einmal auf etwas stolz. Gute
Schulnoten, ein guter Abschluss, das Projekt auf Arbeit wurde erfolgreich
abgeschlossen, die Beförderung steht an, der Nachwuchs kommt zur Welt oder das
Haus ist fertig gebaut. Stolz kann viele Formen haben. So wie ich es eben anhand
von Beispielen beschrieben habe, können uns verschiedene Ereignisse stolz machen. Genauso
gut aber können wir auf Fähigkeiten stolz sein. Der eine ist ein sehr guter
Fußballer, ein anderer ist ein Hobbykoch der Sterne verdient hätte, ein wieder
anderer Mensch ist künstlerisch begabt, kann besonders gut abstrakt denken,
sachlich und zielstrebig sein und handeln oder gut mit Menschen umgehen und fühlen.. die Liste könnte
ewig so weiter geführt werden.
Aber was ist, wenn ich das Gefühl habe, nichts zu können, worauf
ich stolz sein kann ? Oder anders formuliert: Was, wenn ich sehr viele
Schwächen habe ? Darf ich darauf überhaupt stolz sein ?
Vor Kurzem saß ich auf Arbeit, an einem Tag wie jeder der
vier anderen diese Woche. Ich schaute in meine zwei Bildschirme und erledigte
wie immer meine Arbeit. Ich mochte meine Arbeit nicht. Sie war weniger störend
als die Arbeit in anderen Bereichen, in denen ich zuvor gearbeitet habe, aber
dennoch mochte ich sie nicht. Wie häufig zuvor, im Angesicht meiner
Ratlosigkeit, schaute ich mich im Internet nach Berufen um. Weniger Büro.
Weniger Word und Excel. Mehr Kreativität und mehr Freiheit, mehr Ich. Ein
bisschen mehr Geld noch dazu, das wäre auch nicht allzu schlecht. Ich stieß auf einen
Berufstest, der weniger einen Traumberuf für mich suchen wollte, sondern eine
Persönlichkeitseinschätzung vornahm. ,,Wieder ein stupider, einfallsloser „mögen Sie Menschen ?“,
„sind Sie offen und flexibel?“ Test.“ dachte ich. Diese gibt es wie Sand am
mehr oder Zweifel in meinem Kopf. Mit jeder Frage, die mich tiefer in den Test vordringen
ließ, wurde ich jedoch nach und nach vom Gegenteil überzeugt. Konkrete Situationen und sehr
persönliche Antwortmöglichkeiten anstelle der von mir erwarteten,
undifferenzierten Ausfragerei.
Nach knapp 15 Minuten dann hatte ich mein Ergebnis: Rationalist Temperament. Und was bedeutet das jetzt nun ? In der Kurzform: in
dem was ich tun will, strebe ich nach Perfektion, kann kreativ denken und sehe
in einem ungewöhnlichen Winkel auf Dinge. So weit so gut, dachte ich mir. In
meinem Streben nach Perfektion aber wirke ich arrogant, habe Probleme, mit
Menschen zu interagieren. Huch ! Das klang ja fast negativ. War es das wirklich
? Hatte ich etwa negative Eigenschaften ? Natürlich, was für ein einfältiger
Gedanke, dachte ich. Die Website zeigte
mir noch weitere meiner schlechten Eigenschaften, die ich still las und wirken lies. In
einem lang anhaltenden Moment der Selbsterkundung (Ich ging Momente durch, in denen
ich dieser Einschätzung entsprechend agiert habe) musste ich feststellen, dass
viele der angeführten negativen Punkte tatsächlich zutrafen. Der Moment, der
auf diese Erkenntnis folgte, war ein sehr seltsamer. Ich war nicht im
Geringsten beschämt oder wollte verleugnen, was mir ein Persönlichkeitstest
diagnostiziert hatte. Im Gegenteil, in diesem Moment verspürte ich stolz. Stolz
auf das was ich nicht war, auf das was ich nicht kann und nie konnte.
Doch wieso ? Wieso erlaubte ich mir, einzugestehen, dass ich
bei Weitem nicht perfekt war ? Die Antwort war und ist bis heute eine einfache.
Ich werde es niemals sein. Es gibt niemanden, der perfekt ist und ihn oder sie
wird es nie geben. Warum also sollte ich mich schämen für das was ich bin ?
Niemand kann von mir verlangen, perfekt zu sein, wer es selbst nicht ist.
Natürlich ist das keine Aufforderung jetzt einfach untätig mit sich selbst zu
leben, denn manche Dinge, die man an sich hat, müssen nun mal angepackt werden.
Ob nun für sich selbst oder für andere Personen, die Familie, den Partner oder
die Partnerin oder die Kollegen.
Was will mir dieser Blogeintrag denn nun sagen ? Erst heißt
es, sei auf deine Fehler stolz und dann, dass ich sie nicht akzeptieren soll
und an mir arbeiten muss ? Klartext, bitte !
Was euch mein Eintrag sagen soll: Seid stolz auf das, was ihr
seid. Arbeitet an den Dingen, die wirklich wichtig sind, aber nehmt euch auch
so hin wie ihr seid. Tatsächlich schließt sich das nicht aus. Es gibt Charakterzüge die man nie ändern können wird, und
das ist in Ordnung so. „Oh nein, noch so einer der mir etwas vom Erreichen von Selbstzufriedenheit erzählen will.“, sagt Ihr.
Ja, vielleicht habt Ihr recht. Aber im Grunde ist es auch
genau das, wovon wir alle ein wenig mehr gebrauchen könnten. Selbstzufriedenheit.
In unserer Gesellschaft sind wir konstant damit beschäftigt, zu vergleichen.
Wir vergleichen uns und das was wir haben, sowie andere Leute miteinander. Uns
wird ständig vor Augen geführt, was irgendwer kann oder getan hat. Die Utopie
ist zur Normalität geworden. Alles ist eine Sache der Verhältnisse. Also:
Seid stolz auf euch! Man kann auch das an sich
schätzen, was nicht so gut ist ! „Das Ganze ist mehr als Summe der
Einzelteile!“
2 Kommentare:
Ich bin stolz auf den ersten Beitrag von dir ^^
Schankedön !
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