9. November 2017

Wir und die Ferne


Das Reisen fasziniert die Menschheit schon immer. Früher, also vor ca. 150 Jahren und noch weiter zurück, war das Reisen meist eine Entscheidung, die das ganze Leben beeinflusste. Man war nicht mal eben 2 Wochen im Karibik-Urlaub, sondern mehrere Jahre. Man sah vieles, erlebte neue Kulturen und sammelte Eindrücke. Keine Flugzeuge und keine 14 Stunden Flüge. Manchmal konnte die Reise sogar lebensgefährlich werden oder gar tödlich enden. Mit den heutigen Möglichkeiten, nahezu überall in kurzer Zeit sein zu können, hat sich das alles geändert. Die Welt ist heute viel kleiner, als sie es damals war. Die Magie des Reisens ist allerdings bis heute geblieben. Aber warum reisen wir heute noch ? Ist das, was wir im Urlaub tun denn überhaupt noch echtes Reisen so wie es früher war ?
Wenn ich meinen Urlaub buche, dann will ich etwas neues. Neues sehen, neues tun und erleben, was ich vorher noch nicht erlebt habe. Vorrangig die Natur, aber auch Menschen und Kulturen, sowie Geschichten. Ich will ein Abenteuer, das meinen Horizont erweitert, mich entspannt und mir vor Augen führt, was es ist das ich brauche im Leben. Wandern in entlegene Gebiete, die Welt erleben und Ehrfurcht erfahren. Ich will das Gefühl, das Fremde genauso wie das Zuhause wert schätzen zu können. Der Blick aus dem Flugzeugfenster reicht mir nicht aus, um das was zwischen A und B liegt wirklich zu erleben. Ich habe vielleicht vieles gesehen, aber davon kaum etwas wirklich erlebt.
 Vielleicht stehe ich aber auch mit meiner Meinung alleine da. Möglicherweise hat sich Reisen einfach dahin entwickelt, dass wir einfach nur noch so weit es geht von Zuhause weg sein wollen, um dem Alltag zu entfliehen und Kraft beim Rumliegen auf Sonnenstühlen zu tanken. Oder beim Sightseeing im Massentourismus-Stil. Das Tempo und die Hast, die jeder von uns, wenn er ehrlich sein soll, viel zu häufig an den Tag legt, hat sich bis in den Bereich unseres Lebens ausgebreitet, der davon eigentlich befreit sein sollte. Sehenswürdigkeiten auf einer Bucket-List abhaken ist kein Urlaub, und nur weil man es fotografiert hat, oder vielleicht gerade deswegen, war man noch nicht wirklich dort.
Ich weiß natürlich, dass jeder nur eine begrenzte Zeit Urlaub haben kann, und jeder folglich das „meiste“ aus dem Urlaub herausholen möchte. Bei mir ist das genauso wie bei dem Großteil aller Arbeitnehmer. Was ich aber möchte, ist, dass jeder versteht, dass man niemals alles sehen kann. Sich zu beeilen, damit man alles sieht, verhindert nur, dass man wirklich im Urlaub ankommt. Die kleinen und großen Momente zu genießen, sich selbst vielleicht ein bisschen besser kennenlernen, und seinen Platz in der Welt suchen, das ist, worum es im Urlaub geht. 2 Wochen Ballermann-Eimersaufen, an das man sich nicht erinnern kann – oder über Stock und Stein in dichten Wäldern gehen und auf kahlen, schroffen Bergen Sonnenuntergänge mit den wichtigsten Menschen im Leben genießen – ich weiß, wofür ich mich auf Reisen entscheide.

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